LOHNE (CSW). Die Beratungsstelle für Arbeitsmigrant*innen in Trägerschaft des Caritas-Sozialwerkes St. Elisabeth (CSW) mit Sitz in Lohne hat 2018 viel erreicht. Das geht aus dem Jahresbericht hervor. Diesen stellten der Vorstandsvorsitzende des CSW, Heribert Mählmann, und das Beratungsteam - Josef Kleier und Belal Elsayed (Team Landkreis Vechta) sowie Marcella Bohlke und Maresa Wolbers (Team Landkreis Cloppenburg) - am Dienstag, 21. Mai 2019 den Pressevertreter*innen vor.
Die Beratungsstelle ist seit Februar 2018 Anlaufstelle für Arbeitsmigrant*innen im Oldenburger Münsterland. Ziel der Einrichtung ist es, die tatsächliche Situation mobiler Beschäftigter abzubilden, frühzeitig auf Missstände hinzuweisen und für die Betroffenen zeitnah Verbesserungen ihrer Situationen zu erreichen. Kostenträger sind die Landkreise Cloppenburg und Vechta sowie das Bischöflich Münstersche Offizialat in Vechta. Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre befristet.
"Wir haben im vergangenen Jahr gesehen, dass der Bedarf riesig ist. Viele Beschäftigte sind Analphabeten, sprechen die deutsche Sprache nicht und befürchten Repressalien. Hinzu kommt, dass sie ihre Rechte zum Beispiel bezüglich ihres Lohns, ihrer Urlaubstage oder mit Blick auf Kündigungen nicht kennen", sagt Heribert Mählmann. Die Beratungsteams informieren Arbeitsmigrant*innen in prekären Beschäftigungs- und Wohnbedingungen deshalb niedrigschwellig und kostenfrei über das geltende Arbeitsrecht sowie das Wirtschafts- und Sozialsystem in der Region. Dafür hat die Beratungsstelle auch Kontakt zu kommunalen, caritativen und kirchlichen Institutionen aufgenommen, um darüber auf das Angebot hinzuweisen und sich zu vernetzen.
Mit dem bisher Erreichten sind die Mitarbeiter*innen sehr zufrieden. So haben sie bisher insgesamt 140 Personen beraten. Die Mehrzahl dieser Menschen stammt aus Rumänien (59), gefolgt von Syrien (19), Bulgarien (15), Polen (13), dem Irak (7) und Afghanistan (3) sowie 14 Personen aus weiteren Ländern. Die meisten Klienten arbeiten in Schlachthöfen (65), andere in Reinigungsfirmen (19), im Baugewerbe (8), in der Logistik (7), Landwirtschaft (5) oder Gastronomie (3). 33 Personen sind in verschiedenen anderen Branchen tätig. Insgesamt sind deutlich über 600 Termine im ersten Jahr für die Beratungsstelle daraus erwachsen.
"Unsere Hauptaufgabe ist es, Ängste ab- und Vertrauen aufzubauen. Das erfordert Zeit. Hinzu kommen Probleme durch kulturelle Unterschiede", sagt der Jurist Josef Kleier. Zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen hat er einen siebensprachigen Flyer mit Informationen zum Angebot der Beratungsstelle entwickelt. Kleier: "Die meisten unserer Klienten kommen indes in der Regel auf persönliche Empfehlung."
Belal Elsayed, der für die ausgeschiedene Sozialarbeiterin Ludmila Samedova in das Team des Landkreises Vechta gerückt ist, kennt sich mit kulturellen Unterschieden aus. Er selbst ist Ägypter und Jahrgangsbester ausländischer Student der Universität Vechta im Fach "Combined Studies". "Die Menschen kommen oft aus Ländern, in denen Korruption und prekäre Arbeitsverhältnisse an der Tagesordnung sind. Hier angekommen, hoffen sie auf Verbesserung - und werden enttäuscht. Ihr Vertrauen sinkt", sagt er.
Das bestätigt auch Josef Kleier. "Wir begegnen Menschen, die in unserer Region unter extremen Bedingungen leben und arbeiten. Sie sind von der mitunter schwierigen Situation regelrecht gekennzeichnet und fühlen sich gedemütigt, weil sie sich von unserem Rechtssystem mehr versprochen hatten."
Neu im Beratungsteam ist seit Mai 2019 auch Maresa Wolbers. Die Sozialpädagogin, die Sergej Kropotin ersetzt (Referendariat), unterstützt die Juristin Marcella Bohlke in Cloppenburg. Sie bringt ein breites Netzwerk an Sprachmittlern mit ein. Diese spielen eine wichtige Rolle bei der Kommunikation mit den Klienten. So etwa auch im vergangenen Winter. Kurz vor Weihnachten 2018 unterstützte die Beratungsstelle mit Hilfe einer Sprachmittlerin ein Ehepaar und 17 weitere Arbeiterinnen und Arbeiter aus Holdorf, die wegen zurückgehaltenen Lohns nicht in ihre Heimat nach Rumänien reisen konnten. Später fehlte es sogar an Geld für Kleidung und Lebensmittel. Die Beratungsstelle nahm sich des Falls an und konnte im Januar 2019 erwirken, dass die Menschen ihren verdienten Lohn erhielten.
Finden Klienten den Weg in die Beratungsstelle, gehen die Fragen oftmals auch über solche zum Arbeitsverhältnis hinaus. Kein Lohn während des Urlaubs oder für Überstunden, Kündigung nach einem Krankenstand und Arbeitsverletzungen sind Themen, die auf der Tagesordnung stehen. "In derlei Fällen benötigen die Menschen juristische und soziale Beratung, mitunter auch Rechtshilfe. Wir vermitteln dann an entsprechende Institutionen und Anwälte weiter. Eine gute Vernetzung ist äußerst wichtig", betont Marcella Bohlke.
Die Arbeit der Beratungsstelle fand 2018 unter anderem auch Gehör in der Politik: Filiz Polat, Bundestagsabgeordnete und Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für Migration und Integration, hat sich die Arbeit im vergangenen Sommer angesehen und lobt den Vorbildcharakter. Die Einrichtung einer bundesweiten Initiative schloss sie damals nicht aus.
Dass noch mehr getan werden muss, steht für alle fest. Die Beratungsstelle des Caritas-Sozialwerkes versteht sich hier als Impulsgeber. Im Jahresbericht hat Josef Kleier in Form von 12 Thesen Fehler im System definiert. "Wir brauchen die Menschen hier. Da ist ein respektvoller Umgang gefragt", betont er. In der Publikation sind darüber hinaus konkrete Beratungsfälle beschrieben. Zudem klärt der Bericht über Beschäftigungsverhältnisse, Folgen für Arbeitnehmer*innen und gesetzliche Initiativen auf.
Weitere Informationen unter:
www.caritas-sozialwerk.de/hilfe-und-beratung/beratungsstelle-fuer-werkarbeiter
Den kompletten Jahresbericht finden Sie auf unserer Homepage ab dem 21.05.2019, 10.00 Uhr.
Über die Beratungsstelle für Arbeitsmigranten
Die Anlaufstelle für Werkvertragsarbeiter im Oldenburger Münsterland in der Trägerschaft des Caritas-Sozialwerkes St. Elisabeth mit Sitz in Lohne trägt dazu bei, menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen für mobile Beschäftigte zu entwickeln und festzuschreiben. Projektpartner und Kostenträger sind die Landkreise Vechta und Cloppenburg, der Landes-Caritasverband für Oldenburg (LCV) sowie das Bischöflich Münstersche Offizialat (BMO) in Vechta. Die als "Hilfe zur Selbsthilfe" angelegte Beratung erfolgt parteilich unabhängig, muttersprachlich sowie orts- und zeitnah. Sie unterstützt die Betroffenen bei der Wahrnehmung der eigenen Arbeitnehmerrechte. Die Beratungsstelle soll insbesondere Arbeitsmigrantinnen und -migranten in prekären Beschäftigungs- und Wohnbedingungen niedrigschwellig über das geltende Arbeitsrecht sowie über das in der Region geltende Wirtschafts- und Sozialsystem informieren und sie bei konkreten Problematiken und Fragestellungen beraten und begleiten. So dient die Anlaufstelle der Integration und Ermündigung mobiler Beschäftigter. Das Angebot steht allen Menschen - unabhängig von Geschlecht, Konfession und Nationalität - zur Verfügung.
Kontakt:
werkvertragsarbeit@caritas-sozialwerk.de
Beratungsstelle Cloppenburg (für den Landkreis Cloppenburg)
Eschstraße 8
49661 Cloppenburg
Marcella Bohlke (0 44 71) 70 45 - 35 oder - 36
Maresa Wolbers
Beratungsstelle Lohne (für den Landkreis Vechta)
Von-Stauffenberg-Straße 14
49393 Lohne
Josef Kleier (0 44 42) 93 41 - 630 oder - 676
Belal Elsayed